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Weltfunkkonferenz: Satellitenvormarsch und Spektrumshunger |
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Weltfunkkonferenz: Satellitenvormarsch und Spektrumshunger
Vor allem Satellitenthemen dominierten die Weltfunkkonferenz in Dubai. Was in Sachen Mobilfunk, Funkfrequenzen und Satelliten beschlossen wurde.
(Bild: Andrey Armyagov/Shutterstock.com)
Viele Augen waren in den vergangenen zwei Wochen auf Dubai gerichtet. Neben der Klimakonferenz COP28 fand dort parallel die weniger beachtete Weltfunkkonferenz (World Radiocommunication Conferences, WRC23) statt. Bis zuletzt wurde dort um die Aufteilung des Frequenz-Kuchens zwischen Mobil- und Rundfunkern, geostationären Satellitenanbietern und boomenden Low-Earth-Orbit-Konstellationen (LEO) gerungen. Ein erstes Fazit zeigt, dass Satellitenanbieter auf dem Vormarsch sind.
In früheren Jahren der alle vier Jahre statt findenden WRC waren die Themen jeweils gleich stark vertreten, sagte Isabelle Mauro, Generaldirektorin der Global Satellite Operator’s Association (GSOA) in einem ersten Resümee am Donnerstagnachmittag. "Dieses Mal betrafen 70 Prozent der Tagesordnungspunkte Satellitenfragen", so Mauro. Das zeige ihrer Meinung nach die wachsende Bedeutung von Satellitenverbindungen, ausgelöst durch den Boom des LEO-Markts.
Manche US-Experten, wie die Spektrumsexpertin und ehemalige OneWeb-Vizepräsidentin Ruth Pritchard Kelly sprechen sogar davon, dass mit den Entwicklungen rund um Direct-to-Device-Satellitenangebote eine Entwicklung im Gange sei, die sowohl klassische geostationäre Satelliten-Dienste (GEO) als auch den Mobilfunk an den Rand drängen werde.
Frequenzhunger des Mobilfunks gedämpft
Bei den ITU-Funkkonferenzen schachern Regierungsdelegationen vier lange Wochen um die Zuteilung von Frequenzen und bewegen sich dabei zwischen den Maßgaben der weltweiten Harmonisierung und der Positionierung der jeweils eigenen Märkte.
Für die Zuweisung von Frequenzen ist die Welt in drei Regionen eingeteilt: 1 – Europa, Russland, Zentralasien, Naher Osten, 2 – Nord- und Südamerika, 3 – China, Australien, Südostasien (Bild: ITU)
In den vergangenen Jahrzehnten war es insbesondere der wachsende Mobilfunk, der nach mehr Frequenzen gerufen hat. Das war auch bei der WRC23 nicht anders. Bis zuletzt wurde darüber gerungen, ob Mobilfunk – in ITU-Lingo International Mobil Telecommunications, kurz IMT – einen Platz in attraktiven Teilbändern unterhalb von 700 MHz (UHF) bekommen könne.
Wenigstens für den überwiegenden Bereich der Region 1, das sind Europa, Afrika, Russland und Zentralasien, hat sich hier aber der "alte" Nutzer Rundfunk durchgesetzt, bilanzierte Jochen Zenthöfer, Sprecher der Initiative "SOS - Save Our Spectrum". Der Rundfunk bleibe im UHF-Bereich alleiniger Primärdienst, so Zenthöfer gegenüber heise online. Die Forderungen der Mobilfunkanbieter wurden mit einer sogenannten Sekundärzuteilung beschieden. Das bedeutet, IMT-Anbieter dürfen die Frequenzen für ihre Dienste mitnutzen, müssen aber Beeinträchtigungen des Primärnutzers, etwa durch Interferenzen, auf jeden Fall vermeiden. Das mache die Nutzung dieser Frequenzbereich wenig interessant für Mobilfunkunternehmen, erklärt Zenthöfer. Eine ko-primäre Zuweisung für Mobilfunk im Bereich 614-694 MHz haben elf arabische Staaten, einschließlich Palästina, bekommen.
Keine Extra-Frequenzen für deutsches Behördennetz
Zu den Verlierern gehören deutsche Blaulicht-Organisationen. Sie hatten ursprünglich, so Zenthöfer, ebenfalls eigene Frequenzen im UHF-Bereich fürs digitale Behördennetz ins Auge gefasst. Doch hatte die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben am Ende nicht einmal mehr an der Konferenz in Dubai teilgenommen.
Noch nicht ausgestanden sind für SOS die Sorgen, dass die "Programme Making and Special Events" (PMSE) Nutzer, sich nun die vom Rundfunk gelassenen Lücken im Band mit den Mobilfunkern teilen müssen. Zu den PSME gehören Konzertveranstalter und Rundfunk mit ihren Mikrofonen und Kopfhörern. Am Ende komme es hier auf die Umsetzung an, so Zenthöfer, und über die werde bereits im Januar im Bundesministerium für Verkehr und Digitales weiter diskutiert.
Begehrt: 2 GHz für mobiles Internet
Der Verband der Mobilfunkindustrie erklärt sich selbst zu einem Gewinner der WRC23. Die Regierungen hätten der Mobilfunkbranche zusätzliche Frequenzen unterhalb 1GHz, rund um 3.5 GHz und auch bei 6 GHz in Aussicht gestellt, meldete die GMSA per Pressemitteilung. Vor allem die für Europa, den Nahen Osten und Afrika sowie die Amerikas verabredete Harmonisierung im mittleren Bereich zwischen 3.3 und 3.8 GHz – dem "5G Pionier Band" (GSMA) – sei zu begrüßen, so die Organisation.
Außerdem sei das 6 GHz Band (6.425-7.125 GHz) als IMT-Band für alle ITU-Regionen festgelegt worden und Länder mit 60 Prozent der Weltbevölkerung hätten diesen Bereich nunmehr als die Heimat für den Ausbau der 5G-Netze und darüber hinaus avisiert.
Mit den Beschlüssen in Dubai stehe man dabei aber erst der Anfang, sagte Luciana Camargos, Head of Spectrum bei der GSMA, laut der Mitteilung. „Wir dürfen nicht hier anhalten, die WRC23 ist lediglich der Startschuss. Jetzt müssen Regierungen ihre Beschlüsse in die Tat umsetzen“, sagte sie.
Bis 2030 benötigten die Mobilfunkanbieter mindestens 2 GHz Kapazität im mittleren Bereich, um die Städte zu versorgen. Ausreichend Platz für die wachsenden Datenverkehre gebe es nur noch im 6-GHz-Band.
Verluste für nicht kommerzielle Wi-Fis
Das Band war bis zuletzt hart umkämpft, berichtet Raquel Renno, Connectivity Programme Officer der Organisation "Article19". Aus Nutzersicht seien die Geländegewinne der Mobilfunker eine Niederlage.
Article19 ist die einzige Nichtregierungsorganisation, die die Arbeiten der ITU-R, also des Radiocommunication Sector der ITU, begleitet. Sie hatte vorab gewarnt, den 6-GHz-Bereich, das sogenannte C-Band, für den Mobilfunk zu öffnen. Denn dieser Bereich steht bislang Wi-Fi-Providern – und dem Amateurradio – zur nicht lizenzierten Nutzung zur Verfügung. Darin stattdessen teurere Mobilfunk-Internet-Angebote zu machen, sei für die Nutzer eher von Nachteil.
Der große Graben: China-USA
Der Streit um die 6 GHz offenbart auch eine andere Bruchlinie. Laut Renno hat China im Streit um den potenziell harmonisierten Bereich für 5G und 6G sehr die Muskeln spielen lassen. "Die Mehrheit südostasiatischer Länder und viele Regierungen aus Afrikas Süden haben sich explizit Chinas Fahrplan angeschlossen und eine aktuelle Zuweisung des oberen Bereichs des C-Bandes für den Mobilfunk gefordert. Dass das zurückgewiesen wurde, liege vor allem daran, dass diese Forderungen erst spät im Prozess gestellt wurden", schreibt Renno. Aber damit würden durchaus Weichen im Sinn der Mobilfunkanbieter gestellt. Bei "Article19" fürchtet man fortschreitende Marktkonzentration und eine Festlegung ärmerer Länder auf ein "for-profit"-Modell. "Das ist praktisch nie in deren Sinn", fürchtet Renno.
Aus Sicht der 200-köpfigen US-Delegation ist aber laut US-Berichten noch ein ganz anderer Punkt heikel: Von einer weltweiten Harmonisierung für künftige 5G- und 6G-Netze profitieren die großen chinesischen Ausrüster wie Huawei ganz besonders. Huaweis Geräte unterliegen einem Verbot in den USA und Exportbeschränkungen im US-Markt. Eine für den US-Ausrüster vorteilhafte Harmonisierung – denn China nutzt für sein 5G Netz die fraglichen Frequenzen schon heute – läuft der US-Strategie zuwider.
GEO gegen LEO
Eine klare Überlappung von Markt- und geopolitischen Fragen konstatiert Renno bei der Frage nach neuen Frequenzen und Regeln für die neuen Megakonstellationen im Satellitenmarkt.
"Die USA zusammen mit Kanada favorisieren hier weniger Restriktionen für die nicht geostationären Satelliten (nGSO), denn bis jetzt dominieren hier US-Unternehmen den Markt", sagt sie. China und Russland auf der anderen Seite fordern strengere Regeln, und Schutzvorkehrungen für andere Dienste, vor allem GSO.
Heiß umstritten und einer der Tagesordnungspunkte, die bis zuletzt offen blieben, war eine mögliche Neuregelung der in bestehenden ITU-Bestimmungen festgelegten Beschränkungen der Sendeleistung von Satelliten. Die immer zahlreicher werdenden Satelliten im niedrigen Erdorbit - 90 Prozent der knapp 9000 Satelliten im All sind LEOs - müssen ihre Sendeleistung an diese Beschränkungen anpassen, wo sie sonst einen höher fliegenden GEO-Satelliten stören würden.
"Diese Regeln sind fast ein Vierteljahrhundert alt", kritisierten Amazon Kuiper und SpaceX unmittelbar vor der Konferenz in Dubai. In einem Brief an die US-amerikanische Federal Communications Commission (FCC) forderten sie diese auf, sich dafür einzusetzen, dass die Maßgaben zur "Equivalent Power Flux-Density" (EPFD) im Artikel 22 der Radio Regulations gelockert werden. Die technologische Entwicklung sei über diese Werte längst hinweg gegangen.
Nach dem Prozedere der ITU-R hätte in Dubai dies als Tagesordnungspunkt für die nächste WRC 2027 aufgenommen werden können. Aber der Widerstand, nicht zuletzt aus China und Russland, war am Ende zu groß. So gab es in diesem Punkt einen Kompromiss. Zwar werden bis zur WRC27 Studien angefertigt, wie stark die Interferenzen sind. Doch ist eine Revision des Artikel 22 nicht in die Liste der Tagesordnungspunkte aufgenommen worden.
Amazon und SpaceX dürften darauf hoffen, dass sie bis in vier Jahren das Thema doch noch auf die Tagesordnung hieven können. Die beiden Vorreiter haben Ende Oktober eigens noch schnell ihren eigenen Verband aus der Taufe gehoben. Die Alliance for Satellite Broadband soll für weniger strikte EPFD-Werte lobbyieren, weil der große Verband, die GSOA, in dieser Frage selbst gespalten war. Anna Marklund, Director SES und Spektrumsexpertin beim Luxemburger Satellitenbetreiber SES, warnte mehrfach vor den Risiken einer Lockerung der Werte.
Satelliten – Maßnahmen gegen Störungen und Interferenzen
Das Verhindern von Störungen und Interferenzen stand auch bei einer der vielen Entscheidungen zum Satellitenverkehr oben auf der Agenda. In Dubai haben die Mitgliedsstaaten angefangen, Inter-Satellite-Links – Verbindungen zwischen Satelliten – detaillierter zu regeln. Für Links zwischen nicht-geostationären (NGO) und geostationären (GEO) Satelliten hat man jetzt die Ka-Band-Frequenzbereiche ausgewiesen. Ziel dieser Harmonisierung ist es, den Datenaustausch von Erdbeobachtungssystemen effektiver und vor allem schneller zu machen. Über weitere Frequenzen soll auf kommenden Konferenzen beraten werden.
Im kommenden 3GPP-6G-Standard werde übrigens Satellitenkonnektivität von Anfang an integriert, sagt GSOA-Chefin Mauro, und nicht, wie noch bei 5G nachträglich angefügt. Satelliten böten die Möglichkeit, 2,6 Millionen Menschen digital anzuschließen.
Zuerst würden Direct-To-Device-Dienste aber wohl für die Erschließung ländlicher Gebiete in der ersten Welt, etwa in Spanien, zum Tragen kommen, ergänzte in der Debatte Jorge Rodríguez López vom spanischen Satellitenbetreiber Hispasat. Denn für Nutzer im Globalen Süden bleiben die Dienste anfangs wohl zu teuer, insbesondere, wenn die Endgeräte am Ende doch noch mit einem Extra-Chip für die Satellitenverbindungen ausgestattet würden, sagte auch Tony Robinson von der französischen Avanti Telecom.
Gegen den Digital Divide, so versprach die ITU, könne etwa eine der WRC23-Beschlüsse helfen, die die Bänder 2 GHz und 2,6 GHz für die Mobilfunk-Abdeckung über so genannte High Altitude Platform IMT Stations (HAPS oder auch HIPS) festlegt. HIPS sind Stationen, die 20 bis 50 Kilometer über der Erde schweben.
HAPS oder HIPS: So sehen die High Altitude IMT Platforms aus, die dabei helfen sollen, auch unzugängliche Regionen ans Mobilfunknetz anzubinden. Immerhin sind nach wie vor 2,6 Millionen Menschen weltweit ohne Netzabdeckung. (Bild: ITU)
Kontollverlust-Bedenken und Weltraummüll-Sorgen
Die größere Verbreitung und Aufmerksamkeit für Megakonstellationen und Satellitenkonnektivität gaben schließlich bei der WRC23 auch Anlass für Beschlussvorlagen zu hoheitlichen Fragen und möglichen Regelungslücken in Bezug auf die Kontrolle der steigenden Satellitenzahlen. Auf Initiative des Iran soll auf künftigen Konferenzen der unautorisierte Betrieb von nicht-geostationären Satelliten thematisiert und regulatorische Maßnahmen beschlossen werden. Die Initiative zielt auf den Einsatz von Starlink durch Oppositionsgruppen im Iran ab.
Schließlich wurde auch die Frage diskutiert, wie weit Satelliten im niedrigen Erdorbit von ursprünglichen Zuweisungen ihrer Orbitalposition abweichen dürfen. Satelliten, die unterhalb von 2000 km die Erde umkreisen, dürfen laut dem Kompromiss zwischen 70 km und 100 km von der zugewiesenen Positionen abweichen, und zwar nach oben und unten. Außerdem darf die Inklination um zwei bis drei Grad schwanken. Einmal im Betrieb dürfen sie von der eingenommenen Orbitalposition nur noch um 35 Kilometer abweichen.
Schlussendlich stellt sich die Frage nach der Kontrolle, ob die Vorschriften eingehalten werden. Dafür müssen künftig, so Renno, die ITU einerseits und die UNOOSA, das Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen, viel enger zusammenarbeiten. UNOOSA ist als für die Sicherheit zuständige Behörde nicht zuletzt für das Problem mit dem Weltraumschrott zuständig und dafür noch nicht wirklich gerüstet, wie Experten warnen.
Ein Überblick über die WRC23-Beschlüsse und künftige Arbeiten von einer Quiet Zone für die Radioastronomen bis zu Studien für die Kommunikation auf dem Mond findet sich in der Pressemitteilung der Internationalen Fernmeldeunion.. https://www.itu.int/en/mediacentre/Pages...g-ceremony.aspx
(mki)
Quelle: heise . de
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